Die Frage nach dem ROI (Return on Investment) beschäftigt viele Akteure im Bereich Social Media, Social Media Manager und Community Manager ebenso wie die Entscheider aus Marketing und Verwaltung: Wie lässt sich die Social Media Wertschöpfung messen? Warum ist diese Messung wichtig? Welche Hindernisse muss man dafür ausräumen? Antworten auf diese Fragen und Tipps für gute Kennzahlen liefert Ben Ellermann, stellvertretender Leiter der buw digital GmbH und Vorstandsvorsitzender des BVCM, in diesem Gastbeitrag.
Schwächen bei der Erfolgsmessung
Die Auswertung der im Herbst 2015 veröffentlichten BVCM-Studie „Zum Status von Social-Media- und Community-Management in D-A-CH“ hat ergeben, dass Erfolgsnachweise von Strategien im Bereich Social Media und Community Management nur bedingt erbracht werden.
Ebenso sind übergreifende Konzepte zur Erfolgsmessung weit davon entfernt, als Selbstverständlichkeit angesehen zu werden (vgl. BVCM-Studie, S. 30). Nehmen wir diesen Umstand zum Anlass, uns das Thema Erfolgsmessung einmal genauer anzuschauen.
Warum ist Erfolgsmessung wichtig für die Social Media Wertschöpfung?
Die Erfolgsmessung zählt zu den wichtigsten Bestandteilen einer Strategie. Helmuth Karl Bernhard von Moltke bezeichnet Strategie als „die Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen“. Damit die „Fortbildung“ ermöglicht werden kann, müssen belastbare Rückschlüsse auf die aktuellen Ergebnisse des Handelns, in Bezug auf die zielorientierte Strategie, ermittelt werden. Somit kann Erfolgsmessung als Ansammlung der belastbaren Rückschlüsse bezeichnet werden.
Erfolgsmessung ist insbesondere für Institutionen, Brands und Unternehmen ein wichtiges Instrument zur Navigation. Für die umsetzenden Professionals persönlich ist die Erfolgsmessung hingegen eine wesentliche Einflussgröße für das eigene Standing im Unternehmen, das bezahlte Gehalt bzw. den Lohn oder sonstige Benefits und den Verlauf der Karriere. Im BVCM-Podcast zur oben genannten Studie haben wir diesen Aspekt ausführlich thematisiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Schwächen im Bereich der Erfolgsmessung ihren Teil zu den häufig geringen Gehältern der Berufsbranche beitragen.
Warum wird Erfolgsmessung eigentlich vernachlässigt?
Ein ausschlaggebender Grund warum Erfolgsmessung vernachlässigt wird, ist m. E. die unzureichende Verfügbarkeit von Ressourcen. Die Rahmenparameter der digitalen Kommunikation ändern sich permanent. Dabei ist es ein Irrglaube, dass der einmalige Aufbau eines Dashboards, einer Balanced Scorecard oder eines wie auch immer gearteten Reportings ausreichend ist, um Erfolg dauerhaft zu messen.
Die verschiedenen Kennzahlen müssen regelmäßig auf ihre Plausibilität hin überprüft und aktualisiert werden. Da die regelmäßige Überarbeitung zeitaufwendig und anspruchsvoll ist, wird die Social Media Erfolgsmessung von vielen Unternehmen als Zeitfresser betrachtet, der auf kurze Sicht keinen positiven Business Impact generieren kann. Ebenso bietet der oftmals hektische Arbeitsalltag der Social Media und Community Manager wenig Zeit für Tätigkeiten, die sich erst auf lange Zeit rentieren. Auf mittel- und langfristige Sicht ist Erfolgsmessung jedoch unumgänglich.
Einen weiteren Grund für das Vernachlässigen der Erfolgsmessung sehe ich in der fehlenden Kreativität bei der Erstellung von Metriken. Ja, Kreativität und Metrik lassen sich zusammen in einem sinnvollen Satz nennen, auch wenn man mit „Metrik“ zunächst kühle und sachliche Mathematik und mit „Kreativität“ musisches Freigeisteln verbindet.
Metrik ist definiert als „Verfahren zur Messung quantifizierbarer Einheiten“. Kreativität ist die „Fähigkeit zu neuen, schöpferischen Ideen und/oder Taten“. Für sinnvolle Konzepte zur Erfolgsmessung muss beides miteinander in Einklang gebracht werden. Es reicht nicht aus einfache eindimensionale Kennzahlen wie die Fananzahl, den Reach oder das Sentiment als vorgegebene Einzelmetriken zu übernehmen und anschließend im zeitlichen Verlauf zu beobachten. Statt dessen muss eine Gesamtmetrik als Wirkungsbeweis für den Business Impact im wahrsten Sinne des Wortes kreiert werden. Mein Eindruck ist, dass man sich in unserer Branche manchmal bewusst davon fern hält, weil man fürchtet, in einen Bereich außerhalb der eigenen Kompetenz vorzustoßen. Schließlich sind Social Media und Community Professionals häufig dem geisteswissenschaftlichen Lager zugehörig und haben eher selten einen mathematischen oder betriebswirtschaftlichen Hintergrund.
Tipps zur Erstellung individueller Metriken zur Erfolgsmessung für die Social Media Wertschöpfung
In meiner Tätigkeit als Berater in der digitalen Kommunikation habe ich für diverse Unternehmen in den verschiedensten Branchen (Tourismus, Banking, Verkehrsbetriebe u. a.) individuelle Metriken zur Erfolgsmessung kreiert. Aufgrund der verschiedenen Zielsetzungen der einzelnen Strategien und der diversen Branchen sind sehr unterschiedliche Messsysteme entstanden. Folgende Tipps möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben:
1. Einzelfälle als Ausgangspunkt
Überlegen Sie sich, welche speziellen Situationen für Ihr Unternehmen oder Ihre Institution sehr wertvoll oder schädlich waren. Sie können diese Situation nutzen, um eine Ausgangsbasis für Ihre Metrik zu erzeugen und im Anschluss induktiv vorgehen.
Ein Beispiel: Sie haben bei Instagram einen Kommentar unter einem Foto Ihres Unternehmens von einem wichtigen Kunden erhalten und haben auf diesen nicht reagiert, obwohl es unerlässlich gewesen wäre? Sie sind sich trotz dieser Tatsache aber keines Fehlers bewusst, weil das Versäumnis der prekären Ressourcensituation geschuldet ist? Arbeiten Sie mit dieser Situation. Nehmen Sie den Schaden als Ausgangsbasis dafür, was dieser Missstand Ihr Unternehmen oder Ihre Institution kostet.
2. Arbeiten Sie mit realen Situationen und vorhandenen Hilfsmitteln
Vielleicht können Sie Ihre individuelle Situation mit bereits vorhandenen Werten in Zusammenhang setzen. Gibt es in Ihrer Branche repräsentative Studien, die den Umsatz eines zufriedenen Kunden mit einem unzufriedenen Kunden gegenüberstellen? Vielleicht hat auch Ihr Unternehmen oder Ihre Institution über eine Business Intelligence Unit eigene Untersuchungen durchgeführt, die Sie nutzen können. Verwenden Sie verschiedene Kundenbefragungen, um speziell für Ihre Situation etwas ableiten zu können.
Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und so können Sie selbst eine Metrik, für Ihren individuellen Umstand erstellen. Sie können sich sicher sein, dass es nirgends den absolut perfekten Wert geben wird, den Sie für Ihre spezielle Situation benötigen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie mit dem arbeiten was verfügbar ist und im Zweifel eigene Metriken kreieren.
3. Annahmen treffen
Im Zuge einer Metrik werden Sie eigene Annahmen treffen müssen. Wichtig ist dabei, dass Sie sie schlüssig und präzise begründen können.
4. Plausibilität durch Transparenz schaffen
Aufgrund der Komplexität, die Ihre Metrik annehmen wird, sollten Sie auf eine gründliche Dokumentation achten. Nur wenn jeder einzelne Schritt dokumentiert wurde, können die Schritte auch im Anschluss nachvollzogen werden. Um etwaigen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, empfiehlt sich der frühzeitige Hinweis darauf, dass Ihre Metrik mangels belastbarer Zahlen kreativ, aber plausibel ist.
5. Vergleichbarkeit ist besonders wichtig
Ihre Metrik wird nicht jeder Kritik standhalten. Sie wird Schwächen haben, derer Sie sich bewusst sein sollten und die Sie auch Ihren Auftraggebern in der Kommunikation schuldig sind. Das ist legitim: Besser, eine Vergleichbarkeit im zeitlichen Verlauf mit Schwächen, als gar keine Vergleichbarkeit und „Pi mal Daumen“.
Schlussfolgerungen zur Social Media Wertschöpfung
Im Hinblick auf die Mechanismen in Sachen Social Media Wertschöpfung von digitalen Communities dominiert immer noch Resignation vor der Komplexität, die sich bei den professionellen Akteuren häufig durch ein larmoyantes Kokettieren mit fehlenden schlüssigen KPIs oder ROI-Nachweisen zeigt. Dabei gibt es durchaus Ansätze, wie das Treffen von Annahmen, dem Schaffen von Transparenz und der Herstellung von Vergleichbarkeit.
Gefragt sind an dieser Stelle auch weiterhin gemeinsame Bemühungen im Sinne eines offenen und kreativen Austauschs, z.B. in den sozialen Netzen, in Blogs oder auch auf Verbandsebene (z.B. auch im BVCM).